Keine Gewalt ist AUCH eine Lösung

Trotz Terrorismus, Afghanistan und Amokläufen – wir leben in friedlichen Zeiten. In Europa, Amerika und Ozeanien gibt es keine Kriege, weite Teile Afrikas und Asiens sind friedlich. Kriege zwischen Nationen sind absolute Ausnahmen. Während im Mittelalter noch jeder 35. Mensch eines gewaltsamen Todes starb, teilt dieses Schicksal heut nur einer aus 100 000. Begonnen hat diese Entwicklung mit der Aufklärung, mit der grausame Bestrafungen und Sklaverei langsam endeten. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt der Psychologe Steven Pinker den historischen Rückgang der Gewalt.

Hat denn die Zahl der Konflikte abgenommen?

Pinker: Es gibt heute noch einen Halbmond der Kriegsgebiete, der sich von Afrika über den Nahen Osten bis nach Südostasien zieht. Aber diese Kriege haben eine andere Qualität. Warlords und Milizen richten numerisch keinen so großen Schaden an wie Armeen, die Artilleriegranaten auf die Städte des anderen schießen. Das ist ja auch eine Erkenntnis, die sich noch nicht durchgesetzt hat – Kriege zwischen Nationen gibt es fast keine mehr. Seit dem Zweiten Weltkrieg waren die Kriege mit den wirklich großen Opferzahlen der Koreakrieg, der Vietnamkrieg und der erste Golfkrieg zwischen Irak und Iran. Doch seit dem Ende des Kalten Krieges ist selbst die Zahl der Bürgerkriege zurückgegangen.

Warum glauben wir dann, dass wir in so brutalen Zeiten leben?

Pinker: Das ist zum einen eine Frage der Wahrnehmung. Wir vergessen einfach viel. Niemand erinnert sich noch daran, wie grausam die siebziger Jahre waren. Da gab es den Völkermord in Kambodscha, den Unabhängigkeitskrieg in Bangladesch, Ägypten, Syrien und Jordanien führten Krieg gegen Israel. So schlimm es im Nahen Osten auch zugehen mag – es gibt keine Kriege zwischen Ländern mehr.

Und zum anderen?

Pinker: Ist es eine Frage der Aufmerksamkeit. Medien folgen zunächst einmal schlechten Nachrichten. Wenn jemand friedlich im Schlaf stirbt, ist das eben keine Nachricht – wenn er nicht berühmt war. Der menschliche Geist zieht statistische Schlüsse aber nicht aus Zahlen, sondern aus Dingen, die seine Aufmerksamkeit erregen, die im Gedächtnis bleiben, die man mit eigenen Augen sehen kann. Wenn man die Bilder eines Terroranschlags oder eines Amoklaufs sieht, hat man den Eindruck, wir leben in furchtbaren Zeiten.

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