Der Economist legt in seiner aktuellen Ausgabe dar, warum die aktuelle Verhaftungswelle zu einem Zyklus gehört, der 2008 begann. Seitdem werde die politische Freiheit in China immer weiter eingeschränkt. Dafür gebe es drei Gründe:
1) In den letzten Jahren ging das Regime gegen Topanwälte vor. “Als erstes lässt man die Anwälte verschwinden”, sagte auch Lorenz Lorenz-Meyer bei seinem Vortrag “Die Rückkehr des Politischen in China” bei der diesjährigen Re:publica.
2) Der aktuelle Zyklus ist seit dem Jahr 2008 am Laufen – also schon seit drei Jahren. Los ging es im Frühjahr 2008 mit den Unruhen in Tibet, im Sommer folgten die olympischen Spiele in China, bei denen sich das Reich der Mitte im besten Licht darstellen wollte – Kritiker konnte man da nicht brauchen und die Hoffnung, dass sich Olympia positiv für die Demokratiebewegung auswirken könnte, löste sich in Luft auf. Auch das Erdbeben in Sichuan 2008 führte zu Repression, die auch Ai Weiwei spürte, der das Augenmerk besonders auf die Kinder lenkte, die wegen schlecht gebauten Schulgebäuden sterben mussten. Außerdem jährte sich das Massaker am 4. Juni 1989 am Tiananmen-Platz zum 20. Mal. Auch bei der Expo in Shanghai letztes Jahr konnte die kommunistische Partei keine Kritik brauchen.
3) Die Methoden des Staates verschärft: Leute verschwinden einfach – so wie Ai Weiwei und viele andere – und Gewalt ist an der Tagesordnung.
Mittlerweile gibt der chinesische Staat mehr Geld für die innere Sicherheit aus als für das Militär – viel geht dabei in die Überwachung des Internets. Die Great Firewall ist dabei nur die Spitze des Eisberges.
Lorenz Lorenz-Meyer stellte in seinem Vortrag “Die Rückkehr des Politischen in China” die zwei Sichtweisen zum Internet und autokratischen Systemen dar. Die Optimisten glauben, dass Bürgerbewegungen durch das Internet im Allgemeinen und die sozialen Netzwerke im Besonderen profitieren. Die Pessimisten sind der Meinung, dass autokratische Systeme genauso schnell wie die Kritiker lernen die sozialen Netzwerke für ihre Zwecke zu nutzen.
In China passiert beides: In Blogs können Privatpersonen Missstände öffentlich machen. In China muss dabei aber die ausgefeilte Zensur umgangen werden. Praktisch läuft das dann so ab, berichtete Lorenz-Meyer, dass Blogger Accounts bei verschiedenen Plattformen haben und ihre Beiträge überall raufstellen. Denn damit steige die Wahrscheinlichkeit, dass ein Beitrag durch die Zensur kommt. Eine Studie zufolge gebe es nämlich große Unterschiede in der Stärke der Zensur.
Lorenz-Meyer erklärte auch, dass es leichter für Journalisten und Blogger sei, über Probleme zu berichten, die nicht in der eigenen Provinz herrschen. “Dann hat man nämlich nicht mit mit den lokalen Zensurbehörden zu tun”, so Lorenz-Meyer. Die Internetzensur in China hat nämlich zwei Zweige: Zum einen gibt es Zensur auf lokaler Ebene, bei der Behörden dezentral unliebsame Inhalte entfernen. Daneben gibt es aber auch noch Propaganda- und Sicherheitsbehörden, die denselben Job landesweit machen.
Im Grunde zeigt die Entwicklung die Angst der chinesischen Führungsriege vor seinen Bürgern. Während Kritik auf lokaler Ebene zum Teil geduldet wird, wenn es gegen die Zentralregierung geht, versteht die kommunistische Partei keinen Spaß mehr. Gerade auch ein Jahr bevor die Führungsriege der Nation ausgetauscht wird. Dazu kommen wirtschaftliche Entwicklungen – hohe Inflation, die Gefahr einer Immobilienblase – die den “Faustian Deal” – Wohlstand im Tausch gegen Freiheit – in Gefahr bringen und die Angst vor Unruhen wachsen lassen.
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