Die Frage nach der Finanzierung von Online-Journalismus beschäftigt Journalisten und Manager in Verlagen genauso wie all jene, die sich ohne diese traditionelle Organisationen aufmachen, Journalismus im Web anzubieten. Alle haben sie aber dasselbe Problem: Online-Journalismus ist ein schweres Geschäft.
[blue_box]Dieser Text ist der erste Teil einer mindestens vierteiligen Serie, die sich mit der Ökonomie des Online-Journalismus beschäftigt.
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Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist Journalismus spannend: Schon immer ist Marktversagen auf dem Nachrichtenmarkt eher die Regel als die Ausnahme. Man denke nur an die Monopolstellung vieler Regionalzeitungen – dem Paradebeispiel für eine suboptimale Verteilung der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Der populäre Standard-Zusammenhang von Angebot und Nachfrage lässt sich deshalb nicht anwenden. Daraus ergeben sich direkt Konsequenzen für die Refinanzierung, die sich durch das Internet nur weiter verschärfen. Spoiler: Betriebswirtschaftlich sind sie nicht positiv und die Kostenstruktur ist schuld.
Journalismus aus ökonomischer Perspektive
Journalismus wird meist nicht aus einer ökonomischen, sondern einer kommunikations- oder politikwissenschaftlichen Perspektive betrachtet. Im Vordergrund stehen dann positive Externaliäten, die sich aus dem Konsum von Nachrichten ergeben: Informierte Bürger können an zivilgesellschaftlichen Debatten teilnehmen und die Wahrscheinlichkeit einer Partizipation an demokratischen Willensbildungsprozessen steigt. Kurz: Journalismus hat als vierte Gewalt einen klaren demokratischen Auftrag. Journalismus als ökonomisches Gut hat dagegen einen anderen Ansatzpunkt: die Wirtschaftlichkeit.
McManus hat sich in seinem Aufsatz „What Kind of Commodity Is News?” Gedanken über diese beiden Herangehensweisen gemacht, die meistens in einem Zielkonflikt münden. Um das zu verdeutlichen, erstellt er zwei einfache Theorien, die an den beiden Extrempunkten angesiedelt sind: eine rein journalistische und eine rein ökonomische Sicht.


Nur sehr selten stimmen diese beiden Interessen überein. Wenn sie es doch tun, dann beispielsweise bei tragischen Ereignissen oder Schlammschlachten unter Politikern: Eine Berichterstattung ist wichtig – und bringt viele Leser.
In der Mehrzahl der Fälle stehen sich aber die beiden Maximen gegenüber: Das Ziel des journalistischen Ansatzes ist es, öffentliches Verständnis zu erhöhen, Ziel der Firmen hinter Medien ist die Gewinnmaximierung. In diesem Spannungsfeld bewegen sich die meisten Diskussionen rund um den Journalismus, seiner Finanzierung, aber auch der Rolle individueller Journalisten.
Das ökonomische Konzept, das beide Vorstellungen von Journalismus in Einklang bringen kann, ist das meritorische Gut. Ein Staat stuft ein solches Gut normativ als gut ein, allerdings glaubt er, dass Konsumenten von diesem privaten Angebot zu wenig nachfragen. Eine solche Sonderrolle wird zum Beispiel der Kultur zugeschrieben, genauso journalistisch aktiven Firmen „vor allem in Hinblick auf die politische Aufklärung und den Beitrag zu Allgemeinbildung, den sie leisten sollen“, so Hanno Beck. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk lässt sich mit dieser Argumentation begründen.
Für eine genauere volkswirtschaftliche Analyse sind die Details entscheidend, die sich durch die Transformation von Papier zu Displays ergeben. Eine offensichtliche Veränderung: Journalismus ist im Web digital.
Was ist ein digitales Gut?
„Jede Kopie eines Gutes ist das Gut selbst. Es gibt keine Unterscheidung zwischen Original und Kopie.“ (Quah)
Das ist der Kernsatz, der ein digitales Gut beschreibt. Aus diesem Grund ist das Bild des Datendiebstahls falsch: Daten werden in der Regel nicht gestohlen, sondern vervielfältigt.

Konkreter betrachtet: Ein digitales Gut ist ein Bitstring, kann also – in der Umgangsprache von Nicht-Informatikern – mit Nullen und Einsen dargestellt werden. Dieser Bitstring hat nun Einfluss auf den Nutzen eines Individuums. „Am einfachsten ist es, ein digitales Gut als ein Rezept zu betrachten“, schreibt Danny Quah von der Loondon School of Economics (Twitter: @dannyquah). „In einem digitalen Gut sind ökonomisch wertvolle Vorschriften kodiert. Die Formulierung lässt es zu, dass digitale Güter sowohl konsumiert als auch produziert werden können; sie sind also nicht bloß Technologien, die die Produktivität auf der Angebotsseite einer Ökonomie erhöhen.“ Dazu kommt: alles, was sich in einem Bitstring darstellen lässt, ist wiederum selbst Information. „Das verändert auf dramatische Art und Weise eine ganze Kategorie von Gütern: Wie sie erschaffen produziert, verteilt, ausgetauscht und konsumiert werden“, so Quah.
Er unterteilt digitale Güter in zwei Gruppen: robust und fragil. Robuste digitale Güter sind solche, deren ökonomischer Wert gleich bleibt, wenn ein Teil zufällig entfernt oder verändert wird. Ein Beispiel sind Musikdateien, die sich zumindest bis zu einer gewissen Rate in das mp3-Format komprimieren lassen: Der dahinterstehende Bitstring wird kleiner, der Wert des Musikstückes bleibt allerdings gleich. Ein Programmiercode dagegen kann als fragiles digitales Gut eingestuft werden: Der Code kann nur dann ausgeführt werden, wenn er komplett ist. Fehlt ein Befehl: Error! Online-Journalismus ist in dieser Unterteilung ein robustes digitales Gut: Die Aussage einer Nachricht kann die gleiche bleiben, auch wenn sie paraphrasiert oder gekürzt auf einer anderen Webseite erscheint.
Die entscheidenden Details für das Wohl oder Wehe der Monetarisierung von Journalismus liegen in den Details folgender drei Eigenschaften:
- der Langlebigkeit,
- dem Verhalten eines Erfahrungsgutes,
- dem Grad der Öffentlichkeit.
Diese klassischen Eigenschaften werden auch bei nicht-digitalen Gütern zur Kategorisierung benutzt. Die Digitalisierung macht bei der Beschreibung der Güterart die ökonomische Theorie also nicht obsolet. Thierry Rayna schreibt: „Fundierte ökonomische Konzepte können dazu verwendet werden, um die Herausforderungen der digitalen Technologie zu erklären und zu verstehen.“
[blue_box] In den kommenden Woche werde ich weitere Texte zur Ökonomie des Online-Journalismus veröffentlichen. Sie sind modifizierte Varianten meiner Masterarbeit – und damit robuste digitale Güter. [/blue_box]
Literatur
- Beck, H. (2011), Medienökonomie: Print, Fernsehen und Multimedia, Springer, Heidelberg, 3. Auflage
- Kiefer, M. L. (2011), Die schwierige Finanzierung des Journalismus, in: Medien & Kommunikationswissenschaft 59 (1), 5-22 (pdf)
- McManus, J. H. (1992), What Kind of Commodity Is News, in: Communication Research 19 (6), 787-805
- Quah, D. (2003), Digital goods and the new economy, Centre for Economic Performance, London School of Economics and Political Science, Discussion Paper 563 (pdf)
- Rayna, T. (2008), Understanding the Challenges of the Digital Economy: The Nature of Digital Goods, Communications & Strategies 71 (3), 13-36 (pdf)